Montag, 28. Mai 2007

Wundmale

Es gibt immer wieder Personen, meist Heilige, welche die Wundmale Jesu an sich tragen. Stigmata. Sie sind stigmatisisert.
Wir alle haben Wundmale. Nicht an den klassischen Stellen, an durchbohrten Händen und Füssen, an geöffnetem Herzen, als Dornenkrone. Sie sind überall, an verdeckten, unvermuteten, an geheimen Stellen, ja im Innersten des Hezens. Wir können sie auch in einer Dimension tragen,die sich anatomisch nicht festlegen lässt. Wir können sie vielleicht als leichten oder stärkeren Schmerz empfinden,je nachdem wohin wir unsern Blick richten. Unsere Wundmale bluten auch nicht am Freitag. Sie sollen aber zu bluten und zu schmerzen beginnen, wenn wir jenen Menschen mit den offenen Wunden,mit dem hellen Schmerz, mit der schreienden Not begegnen, den als stigmatisiert Verachteten, den als "aussätzig" verstossenen, den moralsich Geächteten. Und wenn wir unsern Blick auf sie richten, wenn wir vielleicht mit ihnen zu tun haben, wegen unseres Berufes, wegen auferlegten Verpflichtungen, weil sie uns ansprechen, oder weil wir sie aufsuchen auf Grund unserer christlichen Berufung, da sollen unsere Wundmale lebendig werden,die Narben aufbrechen, die Einheit im Schmerz spürbar werden. Selbst bei einer oberflächlich scheinenden Begegnung kann ein Deutlichwerden unseres versteckten Schmerzes anzeigen, dass etwas mehr, dass ein Anderer auf uns zukommt. Da müssen wir das Ansteigen des Schmerzes zulassen, und die gemeinsame Erfahrung wird uns lehren, ob wir bescheidene Heiler sein sollen, begabte Umweltorganisatoren, oder ob wir, wenn wir beim, Blick auf die Welt sehen, dass der Schmerz überhand nimmt und alles samt uns zu verschlingen droht, müssen wir wohl eins werden auch im Schrei, der aus diesen Wunden aufsteigt.
Die Heiligen versenkten sich in die Betrachtung der Wundmale des Herrn und unversehens bluteten sie. Unser Prozess ist ein umgekehrter. Wir erfahren zuerst den Schmerz, die blutenden Wunmdmale, in uns, im andern, eins im gleichen Schmerz. Dann richten wir den Blick auf Ihn der die Heiligen Wundmal sich am Kreuz gegeben hat und der uns von Aauferstehung spricht.
Und wenn wir mit alledem Mühe haben,so blicken wir wieder auf ihn, der vor uns steht, den Geringsten unserer Brüder. Wir werden ihn wieder sehen. Er ist es, der uns sagen wird: "Komm lieber Freund, wir haben zusammen gelitten, gehen wir jetzt ein in die unaussprechliche,unermessliche ewige Freude". Das letzte Wort der Pfingstsequenzu heisst ja "perenne gaudium" ewige Freude. Ein Aufblitzen jener Freude können wir -vielleicht selten einmal - sehen im Auge jenes Geringsten, wenn er von uns Liebe erfahren konnte. Und unser Wundmale vrklären sich.
Pfingsten 2007 Tamaro

Montag, 14. Mai 2007

Die Zeder

Vor dem Fenster steht die Zeder. Seit einem Jahr wohne ich hier und sehe sie jeden Tag. Sie steht schon seit dem vorletzten Jahrhundert da, vielleicht schon länger. Mächtig, hoch, die Aeste stark wie Bäume, weit.
Jedes Jahr wachsen die Spitzen der Zweige ganz wenig. Immer wieder trägt sie Zapfen, wirft sie ab. Vielleicht wachsen irgndwo Zedern. Millimeterweise wird der Stamm stärker, immer mehr Holz.
Und eines Tages
gefällt
nur noch Holz, verarbeitet, wird zu Möbelstücken, Tisch oder Stuhl oder zu einem Werkzeugteil, hält lange,dient lange, gutes Holz!
Und Stück um Stück wird alt,unbrauchbar.
Wird verbrannt
Ist nur noch Feuer
Sage mir, was ist das Wesen des Baumes?
Sage mir, was ist das Wesen des Menschen?

Tamaro